Amélie Nothomb | Die Passion

28.02.2021

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Das Evangelium nach Amélie. Direkt zu Beginn der Fastenzeit bin ich auf ein seltenes Kleinod gestoßen: Amélie Nothomb: Die Passion. Aus dem Französischen übersetzt von Brigitte Große, erschienen im vergangenen Oktober bei Diogenes.

Wer die vier Evangelien gelesen hat, hat's gemerkt. Jeder beschreibt die Geschichte rund um Jesu Geburt und Tod auf seine Art. Keiner war dabei, alle schrieben wenigstens 50 Jahre später - aber alle bildeten sich ein, die eine, wahre Geschichte zu erzählen..

Amélie Nothomb war natürlich auch nicht dabei. Ich habe keine Ahnung, ob sie religiös ist oder nicht - und das spielt auch gar keine Rolle. Was zu erzählen hat sie jedenfalls. Aus der menschlichen Sicht. In der dunkelsten Stunde - kurz bevor es zum allerersten Karfreitag kommt, sitzt Jesus in seiner Zelle und reflektiert sein Leben. Er hadert mit sich, mit den Menschen, mit seinem Vater.

Ich wusste seit jeher, dass man mich zum Tode verurteilen würde. Der Vorteil dieser Gewissheit: Ich kann meine Aufmerksamkeit Dingen zuwenden, die es wert sind - den Details.


Erschienen bei Diogenes im Oktober 2020. Übersetzt aus dem Französischen von Brigitte Große. Titel der Originalausgabe: Soif. ISBN des eBooks 978-3-257-61141-0. ISBN des Audiobooks 978-3-257-69369-0.



Diese Passionszeit ist anders - für mich Risikopatientin findet sie draußen statt - oder drinnen, in mir. Mit mir selbst. Mit den Büchern. Die Leute, die gestorben sind waren noch einsamer, fällt mir ein.

So denke ich, die einfühlsame Stimme von Matthias Walter im Ohr, die mir die Geschichte eines anderen Einsamen erzählt: Die Passion von Amélie Nothomb.

Jesus in seiner Zelle hadert mit denen, die das Volk sind, das geschrien hat. Kreuziget ihn! 

Die sind keine graue Masse. Er kennt viele davon persönlich:

Das junge Hochzeitspaar aus Kana. Gott, wie der Mann sich ereiferte:

Der da hat die Gabe, Wasser in Wein zu verwandeln (...) aber er hat sie erst ganz am Ende unserer Feier eingesetzt, um sich an unserer Angst und Erniedrigung zu weiden.(...) Er ist schuld, dass es zuerst den schlechten Wein gab und danach den guten. Das ganze Dorf hat uns ausgelacht.

Oder der Typ aus Kapernaum, der vom bösen Geist geheilt wurde.  

Seit dem Exorzismus ist mein Leben so belanglos, 

meckerte er laut. Ebenso wie der ehemals Blinde, der sich jetzt über die Hässlichkeit der Welt mokiert.


Auch erstaunlich die Mutter von dem kranken Jungen:


So lange der Kleine krank war, war er still. Jetzt strampelt er, schreit und plärrt, ich hab keine ruhige Minute mehr (...).


Mein Gott, sind die undankbar. 

Und in der Bibel steht das doch auch ganz anders, oder wie?

Ich kann das jetzt nicht nachprüfen, bin auf dem Weg zur Kirche, um unsere "Osterkrippe" anzugucken, die ja eigentlich ein Grab ist. 

Im Freien muss man ja auch nicht einsam bleiben. Und das stimmt auch, ich treffe direkt auf den Erfinder und Erbauer der Krippe, den Diakon Waldemar.

Der Stein rollt prima, sagt er. Grab zu - Grab auf. Kannst mal reingucken - und zum Fenster raus. Dann blickst du direkt auf die Kreuze. Oh - sage ich.

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