Der Disput | 1. Tag

27.01.2020


Die Zeit: Sonntag, 9. September 1759 | Sonntag, 17. Tag des Monats Elul 5519

Der Ort: Kathedrale von Lemberg


Weil ein großer Andrang erwartet wurde, wurden Billetts verkauft. Einen günstigen 6er kostete das, weil man dafür aber auch ein (in der Regel unerschwingliches) Brötchen bekam, bestand für Contratalmudisten und sonstige Bitterarme kein Zutritt.

Anwesend waren so u.a. Lemberger Bürger, angereiste Besucher, der Starost von Rohatyn (früherer Mitzocker des Krakauer Bischofs Soltyk), der Dechant Chmielowski, der Kastellan mit Gattin Kossakowska, der Arzt Ascher und - für eine Kathedrale erstaunlich - viele weitere Juden und neugierige junge Leute. Natürlich Vertreter ihrer Orden, Priester, sonstige Klerikale. Würdenträger der Krone und selbstverständlich die untote Jenta, die sich das Spektakel durch die Augen des freilich auch anwesenden Gekreuzigten beguckt.

Eigentlich wollen alle hauptsächlich einen Blick auf Jakob werfen.

Pfarrer Mikulski, Hausverwalter der Kathedrale, eröffnet:

Die Contratalmudisten beschreibt er als verlorene Schäfchen, nach langen Irrwegen endlich hätten sie heimgefunden zu ihrem Hirten, der liebevoll zu ihnen sich hinabzuneigen gewillt ist.

In die selbe Kerbe haut der Sprecher der Contratalmudisten, Moliwda-Kossakowski, und fordert erstmal alle anwesenden Juden auf:

(...) sie möchten sich bekehren lassen (...)

Weder Rache noch Zorn entflammen unsere Gemüter, nicht Böses zu vergelten mit Bösem (...)

Weich und volltönend füllt seine Stimme das Kirchenschiff

(...) auf dass es eure Herzen erweiche und euch hinführe zur Anerkenntnis des göttlichen Rechts (...).

Und nicht nur Jena sieht, dass die Contratalmudisten Erbarmung brauchen

Armselig, ja zum Gotterbarmen wirken die Contratalmudisten, wie sie in ihren Bänken (...) sich drängen, während auf der anderen Seite voller Würde die Rabbiner der Dinge harren (...).

(...) wie ausgesetzte Kinder, wie verlorene Schäfchen, fremde, abgerissene Wanderer, die verzweifelt an eine Tür pochen. Juden, (...) verstoßen von ihren eigenen Brüdern (...).

(...) Wie sollte man sie da nicht aufnehmen in den christlichen Schoß, in diesen weiten, katholischen, heimeligen Schoß?

These um These wird nun das Bittschreiben/Manifest verlesen, dann folgt die Debatte, schafft es aber nicht über den ersten Spiegelstrich:

Verschlungen sind die Dinge, die hier vorgebracht werden, beschwerlich ist es, den Rabbinern zuzuhören, muss doch jedes Wort übersetzt werden (...).

Nach mehreren Stunden beschließt Pfarrer Mikulski, die Disputation am folgenden Tag fortzusetzen (...).

Die Frage ist: Ist der Messias bereits erschienen oder kommt er erst noch?


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