Der Rheumadirigent

03.12.2019

Der Rheumadirigent?

Dieser Tage starb der von mir sehr verehrte Dirigent Mariss Jansons. Wegen der starken Medienresonanz fiel mir mein alter Chorleiter wieder ein. Einmal im Jahr wenigstens stellte er neuen Chormitgliedern die Frage: Was macht so ein Dirigent eigentlich? Schlägt der nur Löcher in die Luft, oder was?

Mit meiner Psychotherapeutin habe ich die Frage erörtert: Was macht so ein Arzt eigentlich? Verschreibt der nur Medikamente, oder was? Wir kamen darauf, weil ich klagte, ich hätte bisher in meine Rheumapraxis kein Vertrauen ausbilden können. Zuerst die Fehldiagnose, die mich nicht nur meine Arbeit gekostet hat. Das lange Rumlavieren und wartende Nichtstun, als das MTX sichtbar meiner Lunge geschadet hatte und der Lungenfacharzt die Reissleine gezogen hatte: "Dieses MTX, das streichen wir mal". Das lange Herumsuchen, was meine Daten und Arztbriefe betraf. "Hach, hatten wir da was bekommen?". Die Tatsache, dass ich als Patientin keine Informationen bekomme, wie es nun weitergeht. Haben sich meine Blutwerte verbessert? Verschlechtert? Bekomme ich jetzt ein Biologikum?

Gut, inzwischen bin ich ja in der Probierphase mit dem Olumiant und muss mir nicht mehr wie das Stiefkind in der Rheumafamilie vorkommen, aber das Vertrauen fehlt immer noch.

Um zum Dirigenten zurückzukommen, oder zu meinem alten Chorleiter. Natürlich schlagen diese nicht nur Löcher in die Luft. Gemeinsam mit dem Orchester, gemeinsam mit dem Chor, erarbeiten sie ein Musikstück, sie geben Sicherheit, haben das große Ganze im Blick, bereiten sich akribisch vor. Die Musik soll eine Stimmung erzeugen, in der Lautstärke variabel sein, ein bestimmtes Tempo haben, einen homogenen Klang. Jedes Instrument, jede Stimme soll an der richtigen Stelle einsetzen. Die Pausen sollen gleichzeitig erfolgen, letzte Noten ebenso. Kein Vor- und kein Nachschlagen.

Das funktioniert nur nach längerer Zusammenarbeit. Dirigent und Orchester - Chorleiter und Chor müssen Vertrauen zueinander entwickeln, dann klappt das.

Mein Chorleiter hatte noch einen Standardsatz in seinem Repertoire: Du meinst, du kannst nicht singen? Setz dich einfach hin und lass Töne zum Mund raus, den Rest mache ich.

Ich wünsche uns Chronikern so einen Dirigenten als Arzt - und allen Ärzten einen gut eingestellten Patienten-Chor.

© 2022 Elisabeth Mayer. Alle Rechte vorbehalten.
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