Die Tochter erfrieren lassen...

19.01.2020


Gösta Berling ist kein echter Roman, sondern eher eine Ansammlung von Geschichten und Erzählungen, die locker über die Person des Gösta Berling zusammengehalten werden.

Die Ich-Erzählerin bzw. die Erzählerin der Geschichten blickt dabei gerne in die Vergangenheit zurück:

Oh ihr Frauen entschwundener Zeiten (...) ihr lieblichen Heiligen (...). Durch euch verrichtete die Liebe ihre Wunderwerke, und um eure Scheitel wob Poesie ihren goldenen Schein.

Wo fand man auch so glatte Fußböden, so galante Ritter, so schöne Frauen?

Und dann legt sie los mit einer tragischen Geschichte über eine schöne Heldin:

Und sie war nicht allein schön, sie war geistreich und belesen.

Sie schrieb nicht selbst, aber viele ihrer Gedanken, die sie in die Seelen ihrer dichtenden Freunde niedergelegt hatte, erstanden bei Ihnen in Liedern und Gesängen.

Sie war die beste Partie des Landes.

Es geht um Marianne Sinclaire. Bei einem Ball auf Ekeby, wo die Kavaliere jetzt das Sagen haben, geht es darum, dass die Gäste ein "lebendes Bild stellen", also den Vorläufer von einem Sketch. Sie kommt dabei Gösta Berling sehr nah. Zu nah. Und durch einen Vorhangfehler bekommen die anwesenden Gäste das zu sehen.

Marianne ist entbrannt in ihrer Liebe zu Gösta Berlin, aber keiner darf das wissen, das ist ihr klar.

Eine Schande war es, ihn zu lieben, eine Schande, von ihm geliebt zu werden, schlimmer als der Tod.

Ihr Vater ist sehr stolz auf seine Tochter.

Er hatte ihr goldenes Geschmeide und seidene Kleider geschenkt. Er hatte sie in Kunst und Wissenschaften unterrichten lassen.

Dieser Stolz hinderte ihn indessen nicht daran, sie beim Spiel "Knack" und im betrunkenen Zustand auf dem selben Ball als Pfand einzusetzen:

(...) unter der Bedingung, dass du ihr Jawort erringen kannst, Gösta, setze ich meinen väterlichen Segen zum Ehebunde auf diese Karte.

Er verliert. Sie. Gösta gewinnt. Sie.

Als nun der Ball zu Ende ist, will Marianne noch bleiben, ihr Vater will aber nach Hause. Als er sie endgültig holen will, tanzt sie mit Gösta. Er ist wutentbrannt, lässt die Tochter, wo sie ist, fährt nach Hause, geht ins Bett.

Muss er sie nicht verstoßen, ihr seine Tür verschließen, wenn sie sich so tief herabwürdigt, einen solchen Mann zu lieben? Der Glanz seines Lebens ist dahin.

Das Mädel hat sich inzwischen in der eisigen Winternacht zu Fuß auf den Weg gemacht.

Große unbegrenzte Nacht mit den leeren, öden Schneefeldern.

Vater, Vater, Mutter, Mutter.

Sie rüttelt an den verschlossenen Türen.

Er liegt in seinem Bett und hört sie an der Haustür klopfen. Was geht ihn das an? Er schläft. Draußen steht ja nur ein Mädchen, das einen abgesetzten Pfarrer heiraten will.

Die Mutter kommt an die Tür.

Vater ist betrunken und nimmt keine Vernunft an. Er schlägt dich tot, wenn du ins Haus kommst.

Marianne erstarrt:

Sie vernahm den Schall eines Schlages, eines Stockschlages, oder einer Ohrfeige. Er schlug die Mutter, der Schreckliche.

Jetzt will sie den Vater weinen machen, sich an ihm rächen - und legt sich in den Schnee. Und stirbt. Denkt sie.

Doch dann kommen die Kavaliere und sie merkt es,

Als ein Mann sie an seine Brust drückte und seine heißen Tränen auf ihr Gesicht fielen ...

Welch eine Nacht! Ein Gatte schlägt seine Frau und lässt sein Kind vor seiner Tür erfrieren.

Die schöne und kluge Marianne Sinclaire wird bei Gösta Berling auf Ekeby bleiben, dort selbst Leben retten. Sie wird an den Pocken erkranken. Sie wird Gösta Berling verlassen, der sie trotz der Entstellung liebt, und sie wird zu ihren Eltern zurückkehren. Sie wird aber nie mehr die sein, die sie war:

Sie war ganz anders geworden, wie man wird, wenn man in die Welt hinauskommt und mit fremden Menschen verkehrt.


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