Ein Traum, die Liebe: Max Frisch

15.05.2020


Ich fange heute mit ihm an, weil sein Geburtstag ist. Ich mache es aber kurz. Und das letzte Wort wird er auch nicht behalten:

 Max Frisch (* 15. Mai 1911 in Zürich; † 4. April 1991 ebenda). Im Sommer 1962 war er der Germanistik- und Romanistik-Studentin Marianne Oellers begegnet. Sie war 28 Jahre jünger als er. Von 1964 an lebten sie an verschiedenen Orten zusammen. Ende 1968 haben sie geheiratet. 1979 wurde die Ehe geschieden: Unüberbrückbare Entfremdung.

Zwischen 1958 und 1962 waren Max Frisch und Ingeborg Bachmann ein Liebespaar gewesen. Ein Liebespaar? Sie waren DAS Traumpaar der Literatur. Er war geschieden. Sie war jung. Ihre Beziehung zu Paul Celan gescheitert. Beide standen im Rampenlicht. Beide haben die Liebe immer wieder zum Sujet ihrer Dichtung gemacht. Sie mochte die Idee einer bürgerlichen Existenz. Befreundete Schriftstellerinnen wie Ilse Aichinger und Marie Luise Kaschnitz lebten das traditionelle Modell mit Kindern ja auch. Ihm erschien die bürgerliche Existenz unmöglich, wenn er sich selbst als Künstler verstehen wollte. Diesen Kampf hatte er schon früh gekämpft. Jedes Abenteuer belebte ihn.

Sie trinkt zuviel, er schreibt viel, sie schreibt nichts. Es kommt zur Krise. Ihre Krise wird tiefer. Die Beziehung scheitert. Er wird später sagen:

Das Ende haben wir beide nicht gut bestanden.

Über sie ist zu sagen: Ihre Krankheit heißt Max Frisch. Es geht nicht mit ihm, es geht schon gar nicht ohne ihn.

1963 hat ein Psychotherapeut Ingeborg Bachmann gebeten, ihre Träume doch einmal aufzuschreiben. Das haben Therapeuten so an sich. Achten Sie auf Ihre Träume! So können Sie in Kontakt kommen mit ihrem Unbewussten und sich dem stellen, was Sie quält. So oder ähnlich sagen das die Therapeuten heute auch noch.

So schreibt sie also (aus dem zweiten Kapitel von Male Oscuro) am 3. März 1963 über einen Traum:

Max kommt überraschend mit Marianne (...), Ich erfahre, daß Max geheiratet hat, eine ganz andere Frau, die kommt auch, sie ist ein wenig über 40, sie kommen wahrscheinlich aus Mexiko. Ich bin vollkommen überrascht, begrüße auch diese Frau, die mir aber nicht gefällt, sie paßt überhaupt nicht zu Max (...).

Dann müssen wir schlafen gehen, es wird sehr kompliziert, wer wo und mit wem schlafen soll, alle die Frauen, ich meine, Marianne und Max sollten in meinem Schlafzimmer in dem großen Bett schlafen, aber es scheint, daß er mit der anderen Frau dann dorthin geht, und ich arrangiere alles und die Wohnung ist sehr eng und kleinbürgerlich (...)

Im wachen Zustand sinniert sie dann über einen Brief, den Max Frisch an seine Mutter geschrieben hat, mit der sie selbst auch guten Kontakt hat:

Von mir steht kein Wort in dem Brief, auch nicht, wann und ob er mich hier sehen will. Es ist schon, als existiere ich überhaupt nicht mehr. Zum Glück merkt die Mutter es nicht, sie meint, ich müsse erst ganz gesund werden, ehe Max mich wiedersehen will.

Aus unerfindlichen Gründen hält sie Krankheit für einen Trennungsgrund. Sie sagt, Sie müssen dann wieder gut aussehen, wenn Max zurückkommt.

Sie kann nicht loslassen. Sie will arrangieren. Sie will besser werden: weniger kleinbürgerlich, soll er doch noch eine Frau mitbringen und noch eine. Sie will weniger krank sein. Sie will sich jetzt schon ganz aufgeben. 

Hier ist ganz viel Bewusstes zu finden - und nur ganz wenig Unbewusstes.

Es tut richtig weh, die vielleicht größte deutschsprachige Dichterin des 20. Jahrhunderts so reduziert zu sehen. Es wird sich besser anfühlen, wenn die Werkausgabe vollständig vorhanden ist.

Hier die junge Ingeborg Bachmann mit einem der schönsten Gedichte der Welt über Licht und Schatten:


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