Ingeborg Bachmann: Male Oscuro. Aufzeichnungen aus der Zeit der Krankheit

14.05.2020

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Erschienen: 20.02.2017
Gebunden, 259 Seiten
ISBN: 978-3-518-42602-9

Im Zyklus der Literaturnobelpreisträgerinnen fehlt eine Autorin, mindestens eine. Ingeborg Bachmann war 1963 vom Frankfurter Philologen Harald Patzer nominiert worden, leider erfolglos.

Aber in der Bundesrepublik hat die Österreicherin (geboren 1926 in Klagenfurt) sämtliche wichtigen literarischen Auszeichnungen erhalten, inklusive des Büchner-Preises 1964 für Malina.

Ihre Gedichte galten als Sensationen. Ihre Prosa wurde deutlich verhaltener aufgenommen. Oder anders: Ihre Lyrik hatte noch Hoffnung, in der Prosa war diese bereits aufgegeben.

Ingeborg Bachmann war schon eine emanzipierte Frau, als sich die junge Frauenbewegung in den 60er Jahren lautstark zu Wort meldete.

Im Wintersemester 1959/60 war sie die erste Dozentin auf dem von der Frankfurter Universität eingerichteten Lehrstuhl für Poetik.

Sie wusste, was ein Dichter kann:

Gelingen kann ihm, im glücklichsten Fall, zweierlei: zu repräsentieren, seine Zeit zu repräsentieren und etwas zu repräsentieren, für das die Zeit noch nicht gekommen ist.

Ingeborg Bachmann wurde nur 47 Jahre alt. Sie starb in Rom. Zuletzt arbeitete sie an ihrem Romanzyklus Todesarten. Ihr eigener Tod war so, wie sie es in ihrer Dichtung öfter durchdekliniert hatte: Sie starb am Feuer. Oder genauer: Sie starb am 17. Oktober 1973 an den Entzugserscheinungen, als sie im Krankenhaus ihre Barbiturate nicht mehr bekommen konnte. 100 Tabletten am Tag soll sie zuletzt geschluckt haben.

Erschöpft vom Schreiben, aber unfähig einzuschlafen, nahm sie in der Nacht zum 26.9.1973 ein weiteres Beruhigungsmittel, steckte sich eine Zigarette an, schlief ein - und erwachte im Feuer.

Ihren ersten psychischen und physischen Zusammenbruch musste sie bereits 1962 erleben. Sie war eine Frau, die sowohl publikumssüchtig als auch publikumsscheu gewesen ist. Ihre Vorstellungen von der Liebe beförderten ihre Leidensgeschichte.

Ihren Freund*innen war lange klar, dass sie von zahllosen Ängsten geplagt war. Angstneurose wird ihre Diagnose sein. Aber niemals hat sie diese Ängste offen dargelegt. Auch nicht in ihrem autobiographischen Roman Malina.

Es war deshalb ein Wagnis, als die Verlage Piper und Suhrkamp sich entschieden, Bachmanns Aufzeichnungen aus der Zeit der Krankheit, ihre Traumnotate, Briefe, Brief- und Redeentwürfe unter dem Titel Male Oscuro - Dunkles Übel - zu veröffentlichen. Der Band erschien als erstes in der fulminant geplanten Werkausgabe der beiden Verlage bereits im Februar 2017. (Inzwischen erschienen in der Reihe auch: Das Buch Goldmann und schreib alles was wahr ist auf. Der Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann und Hans Magnus Enzensberger)

Male Oscuro - Ingeborg Bachmann meinte damit einen Schmerz, der sich der modernen Denkweise entzieht - quasi mittelalterlich ist.

Darf man das veröffentlichen? Die beiden Band-Herausgeber*innen, Isolde Schiffermüller und Gabriella Pelloni meinen "Ja". Denn an der ganzen Geheimhaltung, dem Eingesperrtsein in der Krankheit, ist Ingeborg Bachmann (fast) zugrunde gegangen.

In ein paar Blogbeiträgen werde ich dieses besondere Werk hier vorstellen.


Meine Quelle für die biographischen Angaben war: Jürgen Serke: Frauen schreiben. Ein neues Kapitel deutschsprachiger Literatur. Ein Stern-Buch. 1979 herausgegeben von Henri Nannen. 


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