#21für21: 11 Joe R. Lansdale | Kahlschlag

10.07.2021

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Golkonda Verlag 2012. Die Originalausgabe erschien 2004 unter dem Titel Sunset and Sawdust. Ins Deutsche übersetzt von Katrin Mrugalla. ISBN 978-3-942396-32-5. Kahlschlag ist der inoffizielle neunte Band der Reihe FUNNY CRIMES hrsg. von Richard Betzenbichler.

Es ist die Zeit der Großen Depression, der Weltwirtschaftskrise, in Ost-Texas. Der amtierende amerikanische Präsident Herbert Hoover, ein Republikaner, 1928 mit großen Erwartungen gewählt, ist einer der unbeliebtesten überhaupt.  Die Bevölkerung macht ihn direkt verantwortlich für den Mangel an allem.

Das Sagen haben (ältere) weiße Männer, gerne auch organisiert im Ku-Klux-Klan - schwarze Leute, Indigene und Frauen können davon ein trauriges Lied singen, wenn sie noch singen können.

Der Constable des Ortes schlägt und vergewaltigt wie üblich seine Ehefrau. Die heißt Carrie Lynn Beck, wird aber wegen ihrer langen roten Haare von allen nur Sunset genannt.

Sunset hat endlich genug von der Gewalt, die ihr geschieht. Sie greift sich seine Dienstwaffe und erledigt den Typen, der ihr Mann gewesen ist.

Genau in diesem Augenblick gibt es einen unglaublichen Tornado, der das Haus wegreißt, den Fluss leert und überall Fische verteilt -  

Flussbarsche und Elritzen

sehr zur Freude der ausgehungerten Bevölkerung.

Sunset hat nun also keinen Mann mehr, leider aber auch kein Haus. Da ihre Tochter ohnehin bei den wohlhabenden Schwiegereltern im Sägewerk lebt,  will Sunset auch dort hin. Allerdings ist sie nackt, hat nur im Baum einen ihrer Wohnzimmervorhänge gefunden und um sich geschlungen. Sie hält einen Schwarzen mit Eselswagen an und bittet ihn, sie zu den Schwiegereltern zu bringen. Der, nun mit einer halbnackten weißen Lady im Wagen, vergeht fast vor Angst vor den "Kluxern", liefert Sunset aber getreulich ab, leiht ihr sogar sein Hemd.

Die Schwiegermutter knallt ihr eine, als Sunset den Totschlag gesteht. Nimmt sie dann aber in den Arm, froh, nicht auch noch diese Tochter verloren zu haben. Der Schwiegervater ist gar nicht erbaut und droht, Sunset zu erschießen, wenn diese nochmal einen Fuß in sein Haus setzt. Sunset nimmt ihre Tochter und verschwindet.

Der Schwiegermutter, Miss Marilyn, fällt indes wieder ein, dass ihr eigener Mann ein ebensolches Gewaltmonster ist wie der tote Sohn. Als der Gatte sich schlafen legt, näht sie ihn an der Matratze fest und harkt ihn dann mit dem Rechen so richtig durch - bis das Blut fließt. Dann schmeißt sie ihn raus, in dem sie ihm auch eine Knarre an den Kopf hält. Ost-Texas zur Zeit der Großen Depression.

Sunset wird, nicht zuletzt durch die Fürsprache ihrer Schwiegermutter, selbst zum Constable - durch ihr überraschend mutiges Verhalten hinter der Polizeimarke löst sie alte Fälle, aber auch eine ganze Welle von Katastrophen aus.

Lansdale ist ein echtes Erzähltalent, voll von schwarzem Humor, und kann immer noch eins draufsetzen. Die handelnden Personen werden gleichzeitig so lebensnah geschildert, dass die Leserin das Gefühl hat, direkt dazuzugehören. Seine Geschichte, erschienen im Jahr 2004, enthält viel #blacklivesmatter - und doch ist praktisch niemand nur gut oder nur schlecht. Echte Helden gibt es eigentlich auch nicht, jedenfalls nicht, wenn das bedeutet, dass diese zum Schluss die schönsten Frauen abkriegen. 

Es ist nicht sicher, ob der ehemalige Reverend des Ortes wirklich richtig liegt, wenn er behauptet

... dass alles im Universum ineinandergreift und alles darin Teil eines größeren Ganzen ist ...

Eines aber stimmt ganz sicher, nämlich der Spruch auf dem hölzernen Kreuz. Denn unter diesem liegt tatsächlich 

ein braver junge.


Wer rabenschwarzen Humor abkann und auch vor - sagen wir - obszöner Sprache nicht zurückschreckt, sollte sich von diesem besonderen Roman unterhalten lassen.

Von mir gibt es fünf goldene Heuschrecken dafür.


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