Olav vor Gericht

25.03.2020

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Olav hat jetzt ein echtes Problem. Und zwar ist das die Folge seines unverheirateten Sex mit Ingunn. Denn zwar gilt für ihn nicht, was der Bischof  angeblich einmal gesagt haben soll:

Lieber sollen zehn Männer das Leben verlieren, als daß einer Jungfrau Gewalt angetan würde.

Dann würde er einen Kopf kürzer gemacht. Zumal zwischen den beiden Liebenden in der Nacht nach dem Totschlag nicht geklärt werden konnte, wer "angefangen" hat.

Was der Bischof allerdings sagt, als Olav am Bischofshof auf sein Urteil wegen seiner Beteiligung am Totschlag von Mattias Haraldssohn wartet, fällt deutlich milder aus, ist aber auch erstmal keine große Hilfe:

Wie kannst du denken, daß ihr beiden Kinder nach dem Gesetz irgendwelche Rechte bekommen habt, weil ihr miteinander zu Bett gegangen seid (...) ohne kirchliches Aufgebot.

Aus Bischofssicht lautet die Strafe, soweit sie ein kirchliches Vergehen ist:

der Kirche mußt du Buße bezahlen.

Allerdings ist und bleibt der Sex, d.h. die verlorene Jungfernschaft der Ingunn das Problem - auch in Bezug auf den weltlichen Teil der Strafe, wo er nämlich die beiden Sippen betrifft, insbesondere die Mitgift. Ohne Sex wäre es einfach gewesen:

Entweder hätten sie dir nicht nur dein Weib, sondern auch ihre Mitgift geben müssen, oder ihr beiden hättet getrennt werden können und wäret nun frei, um eine andere Heirat zu schließen.

Das geht ja nun nicht, weil Ingunn eben nicht "unversehrt" ist, nach der damaligen Auffassung.

Doch Olav findet das alles ungerecht. Ihm geht es nicht um kirchliche oder juristische Spitzfindigkeiten, ihm geht es um Wortbruch. Er fühlt sich ja mit Ingunn verheiratet und will auch gar nichts anderes:

Das Wort, das meinem Vater gegeben wurde, soll nicht gebrochen werden, nur weil er jetzt tot ist.

Und Ingunn sei der gleichen Ansicht:

Dem Willen unserer Väter sollten wir uns nicht widersetzen (...) nur weil Fremde ihnen das Recht, selbst über ihre Kinder zu verfügen, verringern wollten.

Der Bischof hat nun überraschenderweise viel Verständnis für diese Sicht und appelliert an die Verwandten, die Sache außergerichtlich zu klären:

Es wäre für die Toressöhne am geziemendsten, wenn sie Olav

sein Weib mit einem solchen Heiratsgut gäben, daß diese Verwandtschaft ihnen nicht zur Schande gereichte und Olav nicht in seiner Heimat nicht an Ansehen verlieren würde durch eine Heirat, bei der er weder Macht noch Vermögen vermehrt hätte.

So wären alle gesichtswahrend aus der Angelegenheit draußen -

oder sie klagten gegen Olav, dann aber würde er, der Bischof, ihnen Ingunn überlassen, damit diese zukünftig von ihnen durchgebracht würde.

Die Onkel wollen natürlich weder das eine noch das andere. Sie wollten Ingunn teuer verheiraten und fragen nun eher nach Entschädigung als nach neuen Ausgaben.

Es kommt, wie es kommen muss: Während eines lautstarken Streites über diese Fragen am Bischofshof erschlägt Olav mit seinem einzigen Besitz - einer Streitaxt - einen der Verwandten von Ingunn. Er wird überwältigt und eingekerkert, bis der Richterspruch über ihn ergehen kann.

Wobei die überlebenden Onkel sofort mutmaßen, dass der Bischof zu gnädig mit Olav umgehen wird, als einem derer

die die Töchter aus den besten Sippen vergewaltigen und deren Verwandte niederhauen, wenn diese Genugtuung für die Untat fordern.

Doch der Bischof erwidert

Wir, die Diener Gottes wollen einen Übeltäter nicht länger schützen, als er durch das Gesetz geschützt ist.

Denn

Wir sind verpflichtet, das Unsere dazu beizutragen, daß Gesetzesübertretungen nach dem Gesetz bestraft, doch nicht durch neue Ungesetzlichkeit gerächt werden, die neue Rache ohne Ende hervorruft.

Und das ist tatsächlich ein eher neues Gesetz. Seit Mitte des 12. Jahrhunderts sind Blutfehden und Rachehandlungen in Norwegen verboten. An ihre Stelle rückt öffentlicher Strafvollzug, auch das eher mythische und von Sigrid Undset sehr geschätzte "Recht des heiligen Olav", das an die Stelle des "Widerstandsparagraf*" tritt - war der doch wahrscheinlich einer solchen Fehde zum Opfer gefallen. Unter König Magnus VI. hatte Norwegen als eine der ersten europäischen Monarchien ein reichsumfassendes Gesetzbuch erhalten. Das natürlich auch jetzt noch gilt, obwohl die Kinder an der Macht sind.

Neues Problem ist nun allerdings, dass Olav sich dafür - wenig überraschend - nicht interessiert. Er fühlt sich nach uraltem Wikingerrecht im Recht - und es gelingt ihm, aus dem Kerker zu fliehen. Und erstaunlicherweise sind es zwei Kirchenleute, die ihm nun die Flucht nach Schweden ermöglichen. Und beide wissen, dass Olav keine Ahnung hat, wieviel sie damit für ihn wagen.


*Kein Mann darf einen anderen Mann überfallen, weder der König noch ein anderer. Aber wenn dies der König tut, dann soll der Kriegspfeil (das Zeichen zur Mobilmachung) ausgesendet werden. Der soll in alle acht Bezirke gesandt werden, und die Bauern sollen gegen den König ziehen und ihn töten, wenn sie können. Doch wenn der König davonkommt, dann darf er niemals mehr ins Land zurückkommen. Wer nicht gegen ihn ziehen will, muss drei Mark bezahlen, genauso der, der den Pfeil nicht weitergibt.

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