Patricia Highsmith | Der Schrei der Eule

10.05.2021

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Das Hörbuch wurde übersetzt von Irene Rumler. Original: The Cry of the Owl. Es dauert zehneinhalb Stunden. Zürich 2020. ISBN: 9783257693836.

Wenn Ende Oktober die von den Fans heiß erwarteten Tage- und Notizbücher von Patricia Highsmith erscheinen, werden wir wohl mehr erfahren über ihre finstere Seite als Mensch. Rassistisch, antisemitisch, sogar frauenfeindlich habe sie sich im Geheimen geäußert, heißt es vorab.

In den Romanen ist es mir bis jetzt nicht aufgefallen, wenn man davon absieht, dass es stets nur weiße Menschen sind, von denen ihre Geschichten handeln - und dass Frauen tatsächlich eher schlecht wegkommen. So auch im frisch übersetzten und zum 100. Geburtstag der Autorin erschienenen Band "Der Schrei der Eule". Oben links noch mein altes Exemplar - ich mag die Eule, den Titel hat Tomi Ungerer gestaltet. 

Insgesamt erscheint es aber, dass die  Highsmith den Menschen im allgemeinen alle Schlechtigkeit zutraut, wenn man sie in entsprechende Lagen bringt oder wenn sie derart veranlagt sind.

Im Grundschulalter bereits hatte sie ein psychiatrisches Lehrbuch für sich entdeckt. Ein Band mit Fallstudien: Kleptomanen, Serienmörder, Pyromanen und was sonst so schiefgehen kann in menschlichen Gehirnen.

Ich stellte fest, daß diese Leute äußerlich völlig normal wirkten und daß es somit auch um mich herum solche geben konnte.

So wird sie zitiert. Und aus genau dieser Befürchtung heraus entstanden wohl ihre Krimis.

Ausgerechnet bei Robert Forester, dem etwas verrutschten Helden aus "Der Schrei der Eule" ist das nicht so.

Forester lebt in Scheidung von seiner Frau Nickie, mit der er in kurzer Ehe verheiratet war. Offensichtlich wurde er von ihr psychisch gequält. Trotzdem leidet der 29jährige technische Zeichner bei einem Flugzeugbauer in der Provinz unter der Scheidung - und auch insgesamt am Leben, vor allem wohl an Einsamkeit. Ein Verbrechen würde er sich selber aber nicht zutrauen.

Seiner Depression entflieht er allerdings, in dem er wieder und wieder die junge Jenny Thierolf am Küchenfenster ihres Hauses beobachtet. Er ist sich der Gefahr bewusst, und obwohl er keine sexuellen Absichten hegt, ist ihm klar, dass seine Entdeckung böse Folgen für sein weiteres Leben hätte.

Es kommt, wie es kommen muss: Er wird von Jenny Thierolf entdeckt. Doch anstatt die Polizei zu rufen, lädt sie ihn in ihr Haus ein. Bei einem dieser Treffen werden sie von Jennys Verlobtem Greg erwischt. Das Unglück will es, dass Jenny sich in Robert verliebt.

Was nun folgt ist eine wilde Menschenhatz, deren Opfer mal Greg ist, dann wieder Robert Forester. Doch was immer diesem passiert, er bleibt gelassen, höflich und freundlich. Er ist kein Freund der Gewalt und wendet sie nur an, wenn es unumgänglich ist.

Ja, er war in psychologischer Behandlung, doch scheint er von allen Protagonisten im Roman die robusteste Psyche zu haben. Doch je mehr er sich selber auf die Suche nach Distanz begibt, desto schlimmer wird der Strudel um ihn herum, den zahlreiche Menschen mit dem Leben bezahlen müssen.

Ich liebe die psychologischen Krimis von Patricia Highsmith, doch jedes Mal bin ich froh, wenn ich selbst mit heiler Haut aus ihnen herauskomme.

Am besten hat es wohl der Observer ausgedrückt:

Patricia Highsmith beschreibt die Menschen, wie eine Spinne Fliegen beschreiben würde...

Ich habe das Hörbuch gehört - und die unaufgeregte Stimme von Thorsten Giese passt perfekt zur Stimmung des Romans und auch zu Robert Forester. Mir schien es auch, dass die aktuelle Ausgabe etwas ausführlicher ist als die von 1976.

Den Fans sei die Neuausgabe ans Herz gelegt, den Unentschlossenen selbstverständlich auch.

© 2022 Elisabeth Mayer. Alle Rechte vorbehalten.
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