Regierende Kinder

20.03.2020

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Dem Steinfinn wird von seinen Verwandten geraten, die Sache rund um seine Ehe auf dem Rechtsweg klären zu lassen. Steinfinn ahnt wahrscheinlich, dass er da nicht so gute Karten hätte -  und möchte den Kampf um seine Ehre lieber selbst ausfechten.

Als Mattias Haraldssohn also Jahre später zurück ist von seiner Pilgerfahrt, die Spottlieder auf Steinfinn aber nicht verstummt sind, zögern Steinfinns Leute nicht lange, Rache zu nehmen und Haraldssohn einen Kopf kürzer zu machen. Unglücklicherweise brennt auch dessen Hof bei der Aktion ab.

Steinfinn und Olav, der ihn begleitet hat, kehren also siegreich zurück. Steinfinn ist  stark verletzt. Olav ist unversehrt, fühlt sich sehr männlich, langt beim anschließenden Trinken kräftig zu -  landet mit seiner Kindsbraut in deren Bett und das nicht nur in dieser besonderen Nacht.

Er macht sich über diese Zustände eigentlich mehr Vorwürfe als über die Tatsache, dass er an einem Fall von Selbstjustiz beteiligt war:

(...) ein Boot und ein Pferd und eine Braut sollte ein Mann am liebsten auf rechte Weise gekauft haben, eher er sie in Gebrauch nahm.

Aber er tröstet sich damit, dass er ja quasi mit Ingunn verlobt ist - und der Ehrverlust sich so in Grenzen halten wird. Schließlich werden beide ja heiraten, wie es vor Jahren versprochen wurde.

Über dem ganzen Hof Frettastein liegt eine gedrückte Stimmung.

Steinfinns Ehefrau Ingebjörg nimmt sich das Leben. Steinfinn selbst ist so schwer verletzt, dass auch er stirbt. Olav hatte noch versucht, ihn offiziell um die Hand seiner Tochter zu bitten. Steinfinn war aber zu schwach - und verwies Olav auf seine Verwandten, die jetzt sämtliche Entscheidungen treffen würden.

Die Verwandten nehmen das kindliche Eheversprechen nicht ernst. Im Gegenteil. Sie wollen Ingunn stattdessen gut verheiraten, nicht mit dem so gut wie besitzlosen Olav. Insgesamt bestehen sie auch darauf, dass Ingunn so wie Olav schlicht zu jung seien für die Ehe. Unmündig, basta.

Das ist insofern bitter, als zu der Zeit Norwegen gerade von zwei Kindern "regiert" wird.

Auf dem Reichstag in Bergen im Sommer 1273 hatte König Magnus VI . seinen Sohn Erik zum König und seinen Sohn Håkon zum Herzog ernannt. Aber auch das wurde über eine "Vormundschaft" geregelt:

Nach dem frühen Tod von Magnus VI. 1280 wurde Erik am 2. Juli in der Christkirche in Bergen von Erzbischof Jon Raude und sieben weiteren Bischöfen gekrönt. Allerdings fanden gleichzeitig eine Bischofssynode und ein Reichstag statt, auf dem eine Vormundschaftsregierung aus Baronen und Amtsträgern aus dem königlichen Gefolge für den noch minderjährigen König gebildet wurde. Aller Wahrscheinlichkeit nach gehörte auch die Königinwitwe diesem Gremium an, das erstmals in der norwegischen Geschichte ausdrücklich als "Königlicher Rat" bezeichnet wurde. Auch nachdem der König 1282 mündig geworden war, lag der Schwerpunkt der Politik  in diesem Gremium.

Und Steinfinns Verwandten scheint diese Konstellation gelegen zu kommen, denn sie

Ließen etwas verlauten, als seien die Männer, die jetzt die größte Macht im Lande besäßen, so lange der König und der Herzog noch Kinder wären, ihre Freunde.

 Olav packt die  Angst vor allem, besonders vor den Dorfbewohnern und ihrem Urteil:

Da war dieses ihr Grinsen, die kleinen schlauen Worte (...)

Sonst würde er einfach seine Freundin nehmen, es Steinfinn und Ingebjörg gleich tun - sie ganz frei und öffentlich zum Bett führen und gut.

Dann hatten sie etwas neues zum Tuscheln (...) nur weil sie sich damit noch nicht richtig gegen ihn selber herausgetraut hatten.

Aber er ist nicht so mutig, gegen die Konventionen zu verstoßen. Anders als in KRISTIN LAVRANSTOCHTER geht es in OLAV AUDUNSSOHN nicht um die tatsächliche Befreiung eines Menschen aus gesellschaftlichen Zwängen, sondern um seine seelische Läuterung. Der Roman ist ja ab 1925 entstanden, da hat die Autorin sowohl ihre Scheidung als auch ihre Hinwendung zur katholischen Kirche schon vollzogen.

So macht sich Olav kleiner, als er in Wirklichkeit ist:

Durch die Mahnungen eines bösen Gewissens und das Gefühl der Schande (...) sah er sich nun auf einem niedrigeren Platz stehen als zuvor.

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