Roman Klementovic | Wenn das Licht gefriert

06.03.2021

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Gmeiner-Verlag, Meßkirch 2020. ISBN-13: 9783839265581, 349 Seiten, 12 Euro


Warum floppt der Roman bei mir? Eigentlich klingt das doch interessant: Elisabeth Sommer pflegt sehr liebevoll ihren Mann Friedrich, der an Alzheimer erkrankt ist. Eine Fernsehsendung, die beide anschauen, bringt Unruhe ins Haus. Denn dort wird der nach über 20 Jahren nicht aufgeklärte Todesfall der fast 18jährigen Anna aufgerollt. Wer hatte dem Mädchen kurz vor dessen Volljährigkeit das Leben geraubt?

Elisabeth und Friedrich haben eine persönliche Beziehung zu dem Fall: Ihre Tochter Valerie war die beste Freundin des Opfers. Und in Friedrich, der bisher ruhig vor dem Fernseher saß, kommt plötzlich Leben. Er kennt Details, die in der Sendung gar nicht genannt wurden. Elisabeth muss annehmen, dass er der Schuldige ist. Hatte er ein Verhältnis mit Anna? Elisabeth begibt sich auf Spurensuche.

Die Geschichte wird aus zwei Perspektiven und auf zwei Zeitebenen erzählt. Zusätzlich gibt es nämlich Informationen über Annas Eltern und ihren schwierigen Versuch, das Unfassbare zu akzeptieren und zu verarbeiten. Dies sind die stärksten Szenen des Romans.

Erste Irritationen, und die Idee, dass es der Verlag insgesamt mit dem Lektorat nicht so genau genommen hat, kommen auf, als Friedrich dauernd in seinem "Fauteuil" angetroffen wird. Nicht ein einziges Mal "in seinem Sessel". "In seinem Fernsehsessel". Nein, stets im "Fauteuil". Nun ist "Wenn das Licht gefriert" der Roman eines Österreichers - aber der Gmeiner Verlag ist doch in Baden-Württemberg angesiedelt. Wir hier in Deutschland benutzen das Wort wohl eher nicht.

Ich hab den Roman in einem kleinen Lesekreis gelesen - und eine der Mitstreiterinnen fragte dann auch folgerichtig, auf was für einer Sitzgelegenheit der Friedrich da sitzt, sie höre das Hörbuch und sei nicht sicher...

Gut, das ist nur eine Kleinigkeit.

Viel schlimmer ist, dass die geschilderten Personen nicht wirklich aus Fleisch und Blut sind. Friedrich in seinem Fauteuil ist das Klischee des Alzheimererkrankten. Er schmeißt das Glas um, knöpft sein Hemd falsch zu, rennt auf Socken draußen rum, verliert einen Manschettenknopf, geht am Ende selbst verloren.

Und das alles ist nötig, damit die Geschichte an Fahrt aufnimmt - und Annas Fall letztendlich "geklärt" werden kann.

Der ganze Rest an Personal ist Staffage, die kurz mal auftaucht, die Geschichte weiterbringt, um dann wieder abzutreten. Valerie bleibt ebenso blass und eindimensional wie ihr Bruder Philipp, seine Frau und die Polizisten, die den Fall bearbeiten. Lauter Pappkameraden

Die ganze Story verharrt irgendwie im Klischee:

Friedrich sah nicht zu ihr auf. Stattdessen glotzte er regungslos auf den Fernseher, in dem eine Kochsendung mit mehr oder weniger prominenten Menschen lief. Eine Blondine Anfang 30, die Elisabeth nicht kannte und die gekleidet war, als würde sie eine hochelegante Abendveranstaltung besuchen, kreischte hysterisch weil das Wasser in ihrem Topf überkochte. Anstatt den Deckel anzuheben oder den Topf von der Herdplatte zu nehmen, zappelte sie auf halsbrecherisch hohen Stöckelschuhen durchs Studio. Dabei rutschte sie beinahe aus. Das Publikum lachte und klatschte. Verrückte Welt.

Ja, verrückter Thriller. Anstatt die Seiten mit Nichtigkeiten zu füllen, hätte ich mir gewünscht, der Autor wäre ernsthaft in das Thema der psychischen Erkrankungen eingestiegen. Ist jemand, der im gesunden Zustand ein Verbrechen begangen hat, noch zu belangen, wenn er zum Zeitpunkt der Aufklärung des Verbrechens dement ist? Würde eine Ehefrau dann ihr Wissen für sich behalten? Der Autor weicht der Frage aus und nutzt die Erkrankung(en) nur für vordergründige Effekte. Der Romanschluss stieß mir dabei besonders bitter auf.

Ein "Baggersee-Roman" beschied ein Mitglied des Lesekreises. Ich füge hinzu: leicht zu konsumieren, garantiert ohne Risiken und Nebenwirkungen zu lesen.  Viele falsche Spuren machen noch keinen guten Thriller.

Kann man, muss man aber nicht lesen.


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